Soll man sich über die derzeitigen Zukunftsszenarien nun freuen, gar fasziniert davon sein, oder packt einen eher das kalte Grausen?
Wie steht's zum Beispiel 2050 mit der Mobilität, das heißt mit dem eigenen Automobil? Gibt's nicht mehr! Während gemäßigte Zukunfts-Gurus noch von Autos sprechen, die bevorstehende Reparaturen selbst erkennen, umgehend mit der Werkstatt Kontakt aufnehmen und alleine dort hinfahren, gehen Fundamentalisten bereits so weit zu behaupten, dass es generell keine eigenen Automobile mehr geben wird. Nachdem im "Smart Home" von der Klimaanlage, über den Staubsauger bis hin zum Kühlschrank alles miteinander vernetzt und per Chips gesteuert wird, ist alles was früher einen Bildschirm oder Monitor hatte, unsichtbar in den Wänden verschwunden und wird ausschließlich sprachgesteuert.
Du sitzt also auf Deiner Couch und möchtest bei aller Computeranimation in 3D mal wieder reale Schwarzwaldluft schnuppern. Also sprichst Du gegen die nackte Wand und äußerst den Wunsch mit zwei Personen von Stuttgart West in die Traube nach Tonbach fahren zu wollen, um dort einen romantischen Abend zu erleben. Keine 10 Minuten später steht eine EU genormte Transportkapsel vor der Tür, spuckt dich in Tonbach aus und transportiert dich am nächsten Tag emotionslos wieder zurück. Eine Erlebnisfahrt zum Beispiel durch die Toskana: autonom gesteuert, streckenoptimiert, mit umfangreichem Onboard-Entertainment und automatischer Platzreservierung in geprüften Restaurants und Hotels nach EU weit festgelegten Kriterien. Eine nahezu hundertprozentige Zufriedenheitsquote ist dadurch garantiert. Herz was willst Du mehr?!
Ich stelle mir angesichts solcher technischen Segnungen im Jahr 2050, aber auch schon Jahre vorher ein solches Szenario vor, einer jener glücklichen Menschen zu sein, die eine 280 SL Pagode, einen Jaguar E-Type, ein 112er 300 SE Cabriolet, einen Porsche 356 oder vielleicht ein 220 Cabriolet A besitzen. In Zeitschriften und Kommentaren lese ich immer wieder sehnsuchtsvolle Geschichten von "automobilem Fahrspaß", den solche Autos einst vermittelten, von erlebnisreichen Kurz- oder Fernreisen damit, oder auch über die Begeisterung von deren Design, Technik und Ausstrahlung und freue mich jeden Tag ein solches (oder vielleicht sogar mehrere davon) in der Garage stehen zu haben.
Und dann – es ist ein ganz normaler Arbeitstag im Jahre 2030 – (das Jahr ab dem nach den Plänen der Grünen keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr gebaut werden dürfen) und ich freue mich bereits beim Frühstück auf meinen "Oldi", gehe anschließend in die Garage und bewundere wie seit Jahren schon die perfekten Linien seines Jahrhundert-Entwurfs. Nachdem ich die Tür mit einem satten mechanischen Klacken aufgeschlossen habe, nehme ich hinter dem Steuer Platz, drehe den Zündschlüssel um und der 6-Zylinder springt mit seiner unnachahmlichen Geräuschkulisse an. Hoppla der Rückwärtsgang hakt – absolut kein Problem, eine kleine Eigenart des Getriebes. Kurz den ersten Gang rein, Kupplung etwas kommen lassen, Ganghebel wieder nach rechts hinten und schon flutscht die Sache. Jetzt geht es die kleine Serpentine aus der Tiefgarage hinaus in gleißendes Sonnenlicht und die Erwartung einer, wenn auch nur etwa halbstündigen, Fahrt ins Büro lässt wahrhafte Glücksgefühle aufkommen. Nein ich fahre heute nicht über die langweilige Autobahn, sondern ich nehme die etwas längere "Luststrecke" durchs Grüne.
Es ist ein Auto, das man im ursprünglichen Sinne des Wortes noch fahren muss. Und das zunächst bei niedertouriger Drehzahl bis das Öl seine Temperatur erreicht hat. Es hat keine Servolenkung, die Schaltung erfordert ein gewisses Feingefühl, der Motor ist unüberhörbar, begeistert jedoch mit seinem unnachahmlichen virtuosen Klangvolumen und das Fahrwerk ist bei weitem nicht von unendlicher Gütigkeit. Man erlebt jeden gefahrenen Meter, wird sich jedes Kilometers freudig bewusst, nimmt dabei die Landschaft sehr viel intensiver war und jede Fahrt wird zum beglückenden Erlebnis. Das eingebaute Autoradio könnte ich rausschmeißen, ich habe es in Jahren noch nie benutzt.
Nach Feierabend fahre ich dann durchs wunderschöne Heckengäu, um nach dem Besuch eines Freundes in der "blauen Stunde" der Dämmerung zurück nach Hause zu fahren. Zum Schluss steht mein Oldi abkühlend knisternd wieder in der Garage und ein ganz normaler Arbeitstag hinterlässt Glücksmomente und ein Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit.
Und da sieht ein kürzlich zitierter Experte des Oldtimermarktes "erste Anzeichen einer sterbenden Weltreligion um das heilige Blech". Glaubt wirklich jemand, dass unsere alten Schätzchen jemals endgültig vergessen auf dem Abstellgleis landen werden? Niemals, denn ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sämtliche Automobile bis zu den neunzehnhundertneunziger Jahren, als die Zeit der chipgesteuerten Elektronik begann, die in zwanzig oder dreißig Jahren kein Mensch mehr restaurieren kann, ihre Liebhaber und dadurch eben auch ihren ideellen und materiellen Wert behalten werden.
Wir werden uns noch danach sehnen, an einem nicht Servo unterstützten Lenkrad zu drehen und in einem etwas hakeligen Getriebe rühren zu dürfen – da gehe ich jede Wette ein!
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