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Benzingespräche

Der Mann, der über Wasser läuft

 

Er ist der lang ersehnte Messias, der die Welt zum Guten hin verändern wird: Elon Musk, Chef des neuen Welt-Imperiums Tesla. Er ist dabei – nein, er hat bereits das Rad neu erfunden und die einst als die großen Erfinder geltenden Gottlieb Daimler, Carl Benz und erst recht natürlich Rudolf Diesel werden angesichts der Genialität des Meisters aus Kalifornien in den Analen der menschlichen Geschichte verblassen. Und wie es sich für einen Heilsbringer biblischer Prägung gehört, hat Elon Musk eine eingeschworene Fangemeinde. "Wenn Technik so etwas wie eine Religion sein kann, lassen die Fans der Automarke Tesla keinen Zweifel wessen Jünger sie wären," so der Journalist Sascha Maier in der Stuttgarter Zeitung.

Am 30. Juli wurde nun in den USA das neue Tesla Model 3 an die ersten 30 Kunden übergeben. Ohne das vorab vom Hersteller Einzelheiten bezüglich Technik und Design genannt bzw. gezeigt wurden, haben sich Tesla-Begeisterte in eine lange Schlange von 400.000 Interessenten eingereiht, um gegen eine Anzahlung von 1000,- Euro das neue Dreamcar "blind" bestellen zu dürfen. "Ohne ihn" (Elon Musk), so die Sprecherin des Vereins Electrify BW, "würden wir so lange Diesel fahren bis wir alle tot umfallen". Da wird uns Frühgeborenen schlagartig bewusst, welch unglaubliches Glück wir hatten, als in den sechziger und siebziger Jahren Dieselfahrzeuge, aber auch Benziner noch ohne die geringste Schadstoffreduzierung ihre Abgase in die Luft geblasen haben. Gesundheitsfördernd war das natürlich nicht, tot umgefallen ist allerdings am Straßenrand niemand. Muss wohl an den eisernen Abwehrkräften der Nachkriegsgeneration gelegen haben.

Aber auch wenn der Absatz von Tesla Fahrzeugen nun schlagartig durch die Decke gehen sollte, ändern tut sich in der Umweltbilanz leider erst mal gar nichts. Denn die Stromer brauchen, wie der Name schon sagt, Strom. Dieser kommt zwar aus der Steckdose muss jedoch – Elon Musk in allen Ehren – produziert werden. Und das, bis auf Weiteres, zum Großteil in Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen. Ein weiteres Problem ist die Herstellung der Batterien, die in nicht unerheblichem Maße Umwelt belastend sind. Also müssen wir bei allem guten Willen und dem Umstieg auf E-Autos trotzdem weiterhin befürchten "plötzlich tot umzufallen".

Keine Frage, die Automobilindustrie hat, begünstigt durch lasche staatliche Kontrolle, sehr schwerwiegende Fehler begangen, die durch nichts zu entschuldigen sind. Den Dieselmotor zum Zeitpunkt seines 125. Jubiläums als Dreckschleuder Nummer 1 zu brandmarken und seine schnellstmögliche Beerdigung dritter Klasse zu fordern, zeugt jedoch nicht von objektiver Analyse, sondern von nahezu hysterischem Fundamentalismus, der noch nie etwas Gutes hervorgebracht hat. Die neueste mit der Einführung der neuen Mercedes-Benz E-Klasse eingeführte PKW Dieselgeneration im Jahr 2016 zeigt ein hervorragendes Abgasverhalten und erfüllt alle weltweiten Abgasnormen nicht nur auf dem Prüfstand sondern vor allem auch in den umfangreichen und bislang vernachlässigten Praxistests.

Bei einem Vergleich von zwei Konzepten mit dem gleichen Nutzen, sollte die Methode der "ganzheitlichen Bilanzierung" angewendet werden. Dabei sind die Aufwendungen und Belastungen die bei der Nutzung der jeweiligen Technologien hervorgerufen werden, objektiv zu ermitteln. Wenn man ein vergleichbares Fahrzeug mit Diesel- oder Elektroantrieb "von der Wiege bis zur Bahre", also von der Herstellung bis zur Verschrottung ganzheitlich bilanziert, dann ist der optimierte Dieselantrieb mit seinen neuesten Abgastechnologien keinesfalls schlechter als der Elektroantrieb.

Es gibt nichts zu beschönigen oder zu relativieren. Die deutschen Automobilhersteller haben sich, viel schlimmer jedoch ihren Kunden, keinen Gefallen getan. Und es bleibt abzuwarten wie dieser Vertrauensverlust wieder aufgeholt werden kann. Dabei wäre es trotz allem klug bei den jetzt geforderten Maßnahmen gegen die Automobilindustrie die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Denn die Automobilhersteller, einschließlich der Zulieferindustrie, sind mit ihren weltweiten Erfolgen seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren und damit auch des Wohlstandes in Deutschland.

Das Kind jetzt mit dem Bad auszuschütten und die Dieseltechnik, oder am liebsten gleich generell die Verbrennungsmotoren zu verschrotten, wäre ein verhängnisvoller Fehler. Denn wenn tatsächlich der Elektroantrieb irgendwann den Verbrennungsmotor ablösen sollte, dann dauert das noch viele Jahre. Bei aller Genialität von Herrn Musk, es gibt noch eine Menge Probleme zu lösen, wobei als eines der größten die umweltfreundliche Erzeugung von elektrischer Energie für den Betrieb von derzeit 45 Mio. Kraftfahrzeugen in Deutschland anzusehen ist. Darüber spricht erstaunlicherweise im Moment kein Mensch.

 

18. August 2017

Claus-Henning Guthard